Mit der Generation Y sprechen statt über sie – das „Generation: That’s Y!“ Blog
Wo momentan so viel über die Generation Y berichtet wird, kommt es gerade recht, dass ich vor einigen Wochen Thorsten Reiter traf, der seit kurzem unter „Generation: That’s Y!“ als Vertreter der Generation Y zum Generationsthema bloggt. Das ist gleichzeitig ein schöner Anlass für die Premiere des ersten Interviews hier im Blog:
RecruitingGenerationY: Thorsten, worum geht es in Deinem Blog, warum hast Du angefangen es zu schreiben?
Thorsten Reiter: Es wird unglaublich viel über die Generation Y diskutiert aber so gut wie überhaupt nicht MIT ihr. Als wären ihre Vertreter unzurechnungsfähige Entrückte oder eine außerirdische Spezies, mit der man nicht kommunizieren kann. Das ärgert mich und das möchte ich ändern. Außerdem erkenne ich die Generation Y in unglaublich vielen Punkten nicht wieder, die über sie verbreitet werden. Mit meinem Blog möchte ich also einerseits zum Cross-Generation-Dialog beitragen und andererseits mit meinen Mit-Ypsiloner in Kontakt treten und sagen: „Auf geht’s: es gibt eine Menge zu verändern und die Zeit ist jetzt gekommen, genau das zu tun!“
RecruitingGenerationY: Die Generation Y ist in den letzten Wochen von der Presse als „Kuschelkohorte„, „Weicheier“ oder „Diven“ betitelt worden – ist da nicht was wahres dran?
Thorsten Reiter: Wenn ich solche Aussagen lese, stellt sich mir die Frage: Was ist an kuscheln verkehrt? Warum sollte sich irgendjemand – egal aus welcher Generation – damit abfinden wollen, im Büro permanent auf Konfrontationskurs sein zu müssen? Wir verbringen einen beträchtlichen Teil unserer Lebenszeit am Arbeitsplatz, also möchten wir uns dort wohlfühlen und nicht permanent Intrigen spinnen müssen und uns anbellen lassen. Aber: Wer eine Affinität zu Harmonie und aufrichtigem Austausch mit fehlendem Vermögen, sich durchsetzen zu können verwechselt, macht einen großen Fehler.
RecruitingGenerationY: Aber Führung zu übernehmen scheint für viele aus dieser Generation tatsächlich nicht erstrebenswert zu sein. Woran liegt das?
Thorsten Reiter: Ich denke die Gen Y ist eine Generation, die sehr ehrlich zu sich selbst ist und vielleicht einmal mehr fragt: „Was genau macht mich eigentlich glücklich?“ Da ist es nur rational den Karriereweg bis zum Ende durchzudenken und vielleicht früh genug andere Wege einzuschlagen, bevor es mit Freunden, Frau und Familie eventuell zu spät ist. Darüber hinaus ist die Welt in den letzten Jahren wesentlich bunter geworden und bietet diverse Möglichkeiten, Erfüllung und Sinn zu finden – abseits von Macht und Ruhm. Außerdem erscheint vielen aus der Gen Y das Konzept von Führung in vielen Betrieben und Köpfen veraltet. Es passt nicht zu der Realität in der sie aufgewachsen sind und vielleicht nicht zu der, die sie sich für das 21. Jahrhundert wünschen.
Aber auch hier sage ich sehr bewusst „für viele Gen Ys“, da es ebenso viele gibt, die sehr gerne Führungspositionen übernehmen wollen. Sie setzen sich mit dem Thema differenziert auseinander und üben sich schon früh in der Übernahme von Verantwortung. Auch die Idee und Logik von Hierarchien ist den meisten durchaus einleuchtend und nicht nur ein Relikt aus alter Zeit – egal wie oft noch das Gegenteil behauptet wird.
Außerdem finde ich es extrem problematisch Zögern, wenn es um die Übernahme von Führung geht, als Feigheit abzustempeln. Oft geht es bei solchen Entscheidungen, um eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten – und manche fühlen sich dieser Aufgabe nicht gewachsen: Das ist vollkommen in Ordnung! Es ist nun mal nicht jeder dafür gemacht. Wenn wir uns dann die Historie der grandios gescheiterten Top-Managern der letzten Jahre ansehen, hätte das ein oder andere Zögern uns und diesen Herren selbst viel Ärger erspart.
RecruitingGenerationY: Welche Aspekte fehlen aus Deiner Sicht in der Diskussion um die Generation Y?
Thorsten Reiter: Vielfalt, eine Fokussierung auf Fakten und vor allem: Pragmatismus.
Zur Vielfalt: Die Gen Y ist nicht vollkommen homogen und ihre Vertreter keine identische Klone. Sie ist wahrscheinlich eine der buntesten Generationen überhaupt und sie alle über einen Kamm zu scheren, tut ihnen Unrecht und bringt die Thematik definitiv nicht voran.
Zur Fokussierung auf Fakten: Es wird in der Diskussion um die Gen Y so viel von „Wahrnehmungen“ und „Empfindungen“ gesprochen aber sehr wenig über Tatsachen. Jeder, der sich einmal mit einem angetrunkenen 22 jährigen nachts um 3 Uhr in der Münchener S-Bahn unterhalten hat, ist plötzlich ein Experte in Sachen Gen Y. Das führt doch zu nichts. Lasst uns lieber sachlich bleiben und herausfinden, was wirklich „anders“ ist an der Gen Y. Zahlen sind doch sonst so beliebt, um Sachverhalte zu beschreiben und zu beweisen – wo sind sie jetzt? Ich finde wir brauchen sie!
Zum Pragmatismus: Leute, es ist wie es ist: In 15 Jahren sitzen wir alle auf neonfarbenen Hüpfbällen im Home-Office und die Debatte um Work-Life-Balance liegt zusammen mit der über das Frauenwahlrecht in der Kiste mit Dingen, die wir lange hinter uns gelassen haben. Es wäre wesentlich konstruktiver, wenn weniger über die „ulkigen Vorstellungen“ der Gen Y gelacht wird und darüber nachgedacht wird, wie Unternehmen von ihnen profitieren und möglichst bald in die Zukunft finden können.
RecruitingGenerationY: Wenn Du einen Punkt herausstellen könntest, den die heute 20-30 jährigen anderen Generationen voraus haben – welcher wäre das?
Thorsten Reiter: Die Gen Y scheint ein Stückchen freier zu sein. Sie ist im Großen und Ganzen nicht so getrieben von Zukunftsängsten oder den Illusionen sich gegenüber der Vorgängergeneration beweisen zu müssen. Das macht sie flexibler – aber eben häufig nur für sich selbst und ihren Vorstellungen. Für den Gegenüber sieht das dann eher wie ein reduzierter Kompromisswille aus – naja…vielleicht hat er damit auch recht… und vielleicht brauchen wir genau das: weniger Kompromisse.
RecruitingGenerationY: Vielen Dank, Thorsten, ich bin gespannt mehr auf dem Generation: That’s Y Blog zu lesen!
Thorsten Reiter, Jahrgang 1989, studierte BWL an der Universität Mannheim sowie der Aston University in Großbritannien. Mit dem Focus Innovationsmanagement und Organisationstheorie strebt er derzeit an der University of South Carolina in den USA einen Doppel-Master mit der Universität Mannheim an. Er war lange Zeit als Social Entrepreneur in der Organisation Enactus tätig und plant nun, zusammen mit einem Kommilitonen den Aufbau einer Beratung zum Thema Generation Y.
Foto: Lars Kehrel
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Hallo Christoph,
vielen vielen Dank für diesen Artikel und dass Du Thorsten Reiter und seinen blog „entdeckt“ hast. Ich werde alle Artikel von ihm aufmerksam lesen 🙂
Ich habe letztens zwei meiner jungen Kollegen zu einem dieser „über die Generation Y Artikel“ befragt. Die konnten an einigen Punkten auch nur mit dem Kopf schütteln. Und ich glaube tatsächlich, dass wir (wie schon seit Menschengedenken) wieder an dem Punkt eines Generationskonfliktes sind. Aber Dank der modernen Kommunikationstools wie Blogs haben wir jetzt vielleicht endlich die Chance, uns auch in der Breite besser zu verstehen.
Ich wünsche Thorsten Reiter für den Aufbau seiner Beratung viel Erfolg. Der Bedarf ist auf jeden Fall riesig. Eigentlich verrückt, oder? Dass wir jetzt schon Beratungsbedarf für das „einfache Miteinander von Jung und Alt“ haben.
Herzlichen Gruß,
Henrik
Hallo Henrik,
das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Generation Y über einen Kamm zu scheren führt zu nichts (wie bei jeglicher Verallgemeinerung). Im Dialog und einer Spiegelung von Selbstbild/Fremdbild zwischen den verschiedenen Generationen im Unternehmen liegt die Lösung. Wofür man eigentlich keine Beratung braucht – da gebe ich Dir Recht!
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